Der Konflikt zwischen Forstwirtschaft und Naturschutz im südwestlichen British Columbia

(für Exkursionsprotoll 1998)

Abbildungen werden nachgeliefert!!!

 

 

15.1 Einführung

Es handelt sich hierbei um ein hochaktuelles Thema. Besonders der Streit zwischen Umweltschützern und Forstwirtschaft im Clayoquot Sound hat in den letzten 20 Jahren die Weltpresse beschäftigt. Allerdings ist es nicht immer leicht, korrekte Daten zu finden, denn die Angaben verschiedener Autoren weichen zum Teil sehr voneinander ab. Als Beispiel sei ein Brief von Greenpeace Deutschland an den kanadischen Botschafter in Bonn und dessen Antwort genannt: Greenpeace behauptet, Kanada schütze nur 3 Prozent seiner Wälder, unterstütze die Provinz British Columbia in der Abholzung von 74 Prozent des Clayoquot Sound und habe die Rechte der Indianer völlig übergangen. In seiner Antwort schreibt der Botschafter, Kanada schütze 11,5 Prozent der Wälder, nur 45 Prozent des Clayoquot Sound stünden für die kommerzielle Nutzung zur Verfügung und die Indianer seien an der Planung beteiligt worden.

 

15.2 Allgemeiner Überblick über die Situation des Waldes in Kanada und B.C.

Kanada ist mit 9,97 Mio km2 das zweitgrößte Land der Erde, etwa 40 Prozent der Fläche sind mit Wald bestanden, wobei sich der allergrößte Teil im Besitz des Staates oder der jeweiligen Provinzen (in British Columbia 95%!). Die meisten Wälder bestehen aus Weichhölzern wie Fichten und Tannen, in B.C. beträgt der Weichholzanteil sogar fast 90%. Diese Hölzer sind nicht sehr hochwertig und eignen sich kaum als Rohstoff für Möbel und ähnliches. Sie werden meist zu Papier verarbeitet und zum Großteil exportiert (sehr viel nach Japan).

Da in den letzten Jahrzehnten der Papierverbrauch stark gestiegen ist, wuchs selbstverständlich auch der Absatz der kanadischen Holzindustrie.

 

Die Küste von B.C. ist fast zur Hälfte mit Wald bedeckt. Drei Hauptzonen sind zu erkennen:

Die Coastal Western Hemlock Zone macht den größten Teil aus. Die Hauptbaumarten sind Hemlocktanne (ca.35%),  Riesenlebensbaum (ca. 20%) und Douglasie (ca.10%). Die anderen beiden Zonen sind die Mountain Hemlock Zone (45% Hemlocktanne) und die von der Rodung am meisten betroffene Coastal Douglas Fir Zone (67% Douglasie).

Mehr zu den Eigenschaften der jeweiligen Baumarten unter 8. (Bioklimatische Zonen und Vegetationseinheiten).

 

 

 

15.3 Im Exkursionsgebiet: Vancouver Island und Clayoquot Sound

Insbesondere auf Vancouver Island ist in den letzten 20 Jahren ein heftiger Konflikt zwischen der Forstwirtschaft und der Regierung auf der einen und Umweltschützern auf der anderen Seite entbrannt. Es wurde und wird heftig diskutiert, ob, wie und wie oft gerodet werden darf, wie die Aufforstung auszusehen hat und wie all dies überprüft und kontrolliert werden kann.

 

Doch zuerst einige Daten über die Situation auf Vancouver Island und im Clayoquot Sound (die folgenden Daten unter Punkt 15.3 stammen allesamt von Umweltschützern des Sierra Club of Western Canada, siehe auch Abbildungen 15.1-15.6; Quelle: Ancient Rainforests at Risk, Final Report of the Vancouver Island Mapping Projekt; Sierra Club of Western Canada, 1993).

Im Jahre 1990 waren bereit 64% der ursprünglichen temperierten Regenwälder auf Vancouver Island gerodet (Abb.15.1), das heißt, daß innerhalb von 130 Jahren 1,47 Mio der einstmals 2,3 Mio Hektar durch die Holzindustrie geschlagen wurden. Es bleibt somit ein Rest von 0,83 Mio Hektar (Abb.15.2), von denen jedoch im Jahr 1990 nur 3% geschützt waren (Abb.15.1). Besonders im Clayoquot Sound gibt noch einige große unberührte Gebiete die nicht geschützt sind, beispielsweise das Clayoquot River Valley und Flores Island (Abb.15.3).

Im Clayoquot Sound waren vor acht Jahren 75% der Urwälder schon gerodet beziehungsweise für die Rodung “freigegeben” (Abb.15.4). Sehr wichtig für die Einstufung der Situation des Waldes ist in Kanada die Unberührtheit der Wassereinzugsgebiete. 1990 waren bereits 170 (85%) der Einzugsgebiete über 1000 Hektar im Gebiet des Clayoquot Sound vom Einschlag betroffen, weitere 22 (11%) waren nicht geschützt. Das heißt, daß gerade einmal 7 der sogenannten “pristine valleys” geschützt waren (Abb.15.5).

Es muß nun natürlich folgende Frage gestellt werden: Warum ist dies alles möglich, wenn doch 95% der Waldfläche von B.C. in Besitz des Staates oder der Provinz sind. Die Antwort ist einfach: Nur 9% der Fläche von Vancouver Island sind in Parks geschützt. Für den Rest der mit Wald bestandenen Flächen wurden Lizenzen für den Holzeinschlag an Privatunternehmen wie McMillanBloedel und das heutige Interfor vergeben. Diese Lizenzen ermöglichen es den Firmen, gegen eine geringe Gebühr pro Baum aus Staatsbesitz Gewinn zu erwirtschaften. Die Lizenzen wurden vor ca. 30 Jahren vergeben und gelten bis heute

 

15.4 Eine Chronologie der Ereignisse im Clayoquot Sound

Früher lebten bis zu 70.000 Indianer an der Westküste von Vancouver Island. Die ursprünglichen Landbesitzer des Clayoquot Sound sind die Stämme der Tla-o-qui-aht, Ahousaht und Hesquiaht First Nations, die alle Teil des Nuu-chah-nulth Tribal Council (NTC) sind. Die Verhandlungen zwischen Regierung und den Ureinwohnern über den heutigen Status der Besitzansprüche sind noch nicht abgeschlossen.

1774 gelangte mit James Cook der erste Europäer in das Gebiet des Clayoquot Sound, das dann aber für ca. 100 Jahre relativ unberührt blieb. Ende des 19. Jahrhunderts begann man dann mit der Rodung der Regenwälder. Der erste große Schritt zur Zerstörung weitläufiger Flächen des “Old Groth” geschah im Jahre 1955 als die sogenannte Tree Farm Licence #44 McMillanBloedel zugesprochen wurde. Sie umfaßt mehr als die Hälfte des Clayoquot Sound und ist, wie bereits erwähnt, bis heute gültig. Ein Jahr später wurde fast der gesamte Rest der Fläche der BC Forest Production zugesprochen, was jedoch ein Verstoß gegen die Gesetze des Landes war. Der zuständige Minister mußte hinter Gitter. Dennoch wurden die Lizenzen

später weitergegeben an Fletcher Challenge und 1992 an Interfor, auch sie sind bis heute gültig. Durch die Vergabe der Lizenzen wurde im Clayoquot Sound die Zeit der “Bad Clearcuts” eingeleitet.

Das Wichtigste Datum für den Umweltschutz in der Region war wohl die Gründung der Friends of Clayoquot Sound (FOCS) in Tofino im Jahre 1980.

Vier Jahre später kam es zur ersten logging blockade, die die FOCS gemeinsam mit den Tla-o-qui-aht auf Meares Island durchführen. Ziel war es, McMillanBloedel am Holzeinschlag auf der Insel zu hindern, die die Indianer kurz zuvor zu einem Stammespark erklärt hatten.

Eine weitere Blockade sollte im Jahr 1988 folgen, um die Zerstörung des größten unberührten Tales (Megin River) zu verhindern. Im Laufe dieser Blockade werden 35 Menschen festgenommen.

1989 und 1991 gab die Provinzregierung die sogenannte “Sustainable Development Task Force” bzw. die “New Task Force” in Auftrag, um festzulegen, welche Teile des Clayoquot Sound geschützt werden sollen. Gegen beide liefen die Umweltschützer Sturm, denn es wurde weiter Holz geschlagen, und das Ziel der FOCS war und ist es, die Rodung völlig zu stoppen.

Die unterschiedliche Interpretation ein und desselben Papiers wurde erneut deutlich in der 1993 verabschiedeten “Balanced Clayoquot Decision”. Die Regierung behauptete, es seien nur noch 45% der Fläche freigegeben für die Rodung und großflächige Kahlschläge seien hiermit beendet. Die Umweltschützer hielten dagegen, daß nur ein Drittel der Fläche geschützt sei und für den Rest (z.B. Clayoquot Valley, Ursus Valley, Flores Island) weiter clearcut möglich sei.

Apropos Kahlschläge:

Der Kahlschlag ist natürlich für die Holzwirtschaft die effektivste Methode der Rodung. Sie ist billig, das Management ist einfach, man hat die meisten Erfahrungen und man kann am besten die großen Geräte einsetzen. Aber auch die verheerenden Folgen sind nicht zu übersehen: Der Boden verarmt, Tiere und Pflanzen verlieren ihre Lebensgrundlage, es kommt zu Erdrutschen. Dies wurde insbesondere im Januar 1996 allen deutlich vor Augen geführt. Durch starke Regenfälle kam es im Gebiet des Clayoquot Sound zu über 100 neuen Erdrutschen, von denen vorher nichts zu sehen war. Andere wurden verstärkt. Eine Untersuchung des “Western Canada Wilderness Committee” ergab, daß diese neuen Erdrutsche 20mal häufiger in Clearcutgebieten auftraten. Auch wenn mittlerweile auch andere Rodungsmethoden angewandt werden (Schirmschlag, Femelschlag...), überwiegt der Kahlschlag immer noch.

Auf die Clayoquot Decision folgten heftige Proteste von allen Seiten. Die FOCS organisierten die größte Blockade in ihrer Geschichte an der Kennedy River Bridge. Es beteiligten sich über 12.000 Menschen, über 900 wurden verhaftet, darunter auch Mitglieder des Parlaments von B.C..

Auf die Proteste aus aller Welt reagierte die Provinzregierung mit dem “Clayoquot Sound Scientific Panel”. Hierin wird versucht, Empfehlungen für das Schaffen der weltbesten Holzwirtschaftsmethoden für den Clayoquot Sound zu finden und zu geben. Die Methoden, die Weise der Rodung selbst und der Transport der geschlagenen Hölzer sollen den Bedingungen

vor Ort angepaßt werden. Es werden drei Stufen der Planung vorgeschlagen: Der Subregional Planning Level, der Watershed Planning Level und der Site Planning Level.

Die Erntemethoden sollen effizient und sicher sein und anpaßbar an die Quote und die Verteilung der zu verschonenden Bäume. Außerdem sollen sie sich an die Steilheit des Geländes anpassen, die Zerstörung des Bodens und der stehengelassenen Bäume minimieren und eine geringe Dichte an Straßen benötigen. Weiter wurde eine Empfehlung gegeben, wieviele Bäume einer Fläche nach dem Einschlag mindestens stehenbleiben sollen: In besonders sensiblen Gebieten (z.B. an Flußufern) sollen mindestens 70% stehenbleiben, allgemein aber mindestens 15% (außer auf sehr kleinen Flächen). Außerdem sollen alle Arten unter diesen 15-70% sein.

Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist auch das Monitoring. Es hat drei Ziele:

Erstens die Sicherstellung der ökologischen und kulturellen Verträglichkeit der Rodungsaktivitäten und -methoden die vorher festgelegt wurden, zweitens die Überprüfung, ob die im Clayoquot Sound angewandten Methoden auch auf andere Gebiete übertragbar sind und drittens die Erforschung von Mechanismen (natürlichen und anthropogenen), die Veränderungen im Ökosystem verursachen.

Doch zurück zur Chronologie:

Auf Drängen der Umweltschützer (auch von Greenpeace) beschlossen im Jahr 1994 viele Verleger, unter anderem Spiegel, DeTeMedien und die New York Times, McMillanBloedel zu boykottieren.

Zwei Jahre später kam es dann zu den bereits erwähnten Erdrutschen durch außergewöhnlich starke Regenfälle. Im Oktober des gleichen Jahres billigte die World Conservation Union eine Resolution, die die Ausweisung des Clayoquot Sound als U.N. Biosphere Reserve vorschlägt.

Ein Jahr später erklärte dann auch die Ministerin für das Erbe Kanadas ihre Zustimmung für das Reserve, falls alle anderen Beteiligten (Einwohner, Umweltschützer und Forstwirtschaft) dafür sind.

McMillanBloedel entließ im Januar 1997 alle Beschäftigten im Clayoquot Sound und stoppte die Einschläge für mindestens 18 Monate. Bis in den Oktober wurde von dieser Firma kein Baum im Clayoquot Sound gefällt. Allerdings gründete die Firma mit den Central Regional Chiefs des NTC eine Joint Venture Corporation für den nördlichen Clayoquot Sound. Es ist ein maximaler Einschlag von 40.000 m3 /a vorgesehen, allerdings frühestens in 3 Jahren.

Laut einer Meldung der dpa im Juni 1998 will McMillanBloedel außerdem ab sofort auf sämtliche Kahlschläge im Clayoquot Sound verzichten. Sollte dies zutreffend sein, wäre das ein erster großer Erfolg der Umweltschützer.

Allerdings geben die allerneusten Entwicklungen wieder sehr zu denken. Es mußten zwar Anfang Oktober einige Sägemühlen in B.C. schließen (darunter auch zwei auf Vancouver Island, eine von McMillanBloedel und eine von Interfor), dennoch begannen zur gleichen Zeit nach drei Jahren Ruhe wieder die Aktivitäten im Clayoquot Sound. Interfor begann mit dem Bau von logging roads im Bereich des Catface Mountain. Es wird derzeit sogar vom Forest Practices Board überprüft, ob mit dem Bau dieser Straßen gegen die Richtlinien des Scientific Panel verstoßen wurde. Die Umweltschützer vermuten, daß dies nur der Anfang einer neuen Welle von Rodungen sein wird, die weit von “world class resource planning and logging” entfernt sind. Es wird deshalb erneut eine Blockade durchgeführt.

Nachtrag: Nach allerneuesten Meldungen vom 1.11.1998 (www.island.net/focs) hat Interfor jedoch seine Straßenbaumaschinen vom Catface Mountain abgezogen und die Friends of Clayoquot Sound hoffen nun auf einen “Runden Tisch” mit allen Beteiligten.

 

15.5 Die Modellwälder

Zum Schluß noch etwas über ein Projekt der kanadischen Regierung, die Modellwälder.

Hier soll möglichst ein Kompromiß gefunden werden zwischen Umweltschutz und Nutzung durch die Forstwirtschaft, das die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen des jeweiligen Landes (es gibt mittlerweile auch Modellwälder in Mexiko) sowie die ökologische Beschaffenheit der betreffenden Wälder reflektiert. Auch das Gebiet des Clayoquot Sound liegt seit September 1994 in einem solchen Modellwald, dem Long Beach Model Forest.

Das große Problem ist jedoch, daß die Gebiete in diesem Modellwald in recht kleine Einzelteile gegliedert sind, vor allem nach Wassereinzugsgebieten. So ist es nicht möglich, für ein größeres Gebiet eine Strategie zu entwickeln. Teilweise besteht der Modellwald aus geschütztem Gebiet (Pacific Rim NP und Strathcona PP), im allergrößten Teil wird aber weiterhin gerodet. Dieser Modellwald ist sicherlich ein erster Schritt, alle Beteiligten zu einem Konsens zu bewegen. Ein weiterer Durchbruch war auch die Erklärung von McMillanBloedel, auf Kahlschläge zu verzichten und auf Helikopter, Swing Yarder und Long line umzusteigen.

 

Allerdings scheinen diese positiven Ansätze durch den Vorstoß von Interfor wieder sehr gefährdet, auch wenn noch nicht abgeholzt wurde und der Bau der logging roads unterbrochen ist. Die absolute Verbannung des Holzeinschlags und die Unterschutzstellung des gesamten Clayoquot Sound, das Hauptziel der Umweltschützer also, wird wohl weiterhin eine Utopie bleiben.

 

12.6 Literaturverzeichnis

- Ancient Rainforests at Risk, Final Report of the Vancouver Island Mapping Projekt;

Sierra Club of Western Canada, 1993

- Clayoquot Sound, A Balanced Decision, A Sustainable Future, A Report from the British

Columbia Government

- Forestry Profiles, The State of Canada’s Forests,; Canadian Forest Service 1993

- Hamilton, G. und J. Beatty: Artikel über Sägemühlen, in: The Vancouver Sun,

Freitag 2.10.1998

- Knaver, S.: Kahlschlag für den Kiosk? in: Der Spiegel, Dokument; Hamburg, 1994

- Learning From New Logging Pratices in Clayoquot Sound; McMillanBloedel, 1995

- McKinnon, A. und M. Eng: Old Forests, Inventory for Coastal British Columbia;

in: Cordillera Magazine, Summer 1995

- Province of British Columbia: Clayoquot Sound Scientific Panel, 1993

- The Friends of Clayoquot Sound: Infosheets Winter/Spring 1998 und Summer1998

und website: www.island.net/focs (Existiert nicht mehr)

- Vogelsang, R.: Kanada; Justus Perthes Verlag, Gotha, 1992

- Volkmann, H.: Kanadas Wälder, in: Praxis Geographie 5/89

 

 

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